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13.06.2020
Stark am inwendigen Menschen

Lege mir gute Worte auf mein Herz, Gott. Ich möchte sie trinken, wie Wein.

Lege mir einen guten Sinn in meinen Geist, dass ich nicht verzweifele an der Welt, wie sie ist, sondern dass ich sehe, wie du sie meinst. Vollkommen und rund. Heil und wunderschön. Mach mich stark am inwendigen Menschen, dass ich nicht hart werden muss bei allem, was mir widerfahren ist, sondern dass ich wachse – unerschütterlich und tapfer. Und dass ich feste Wurzeln bekomme.

Wie alt war sie, als es das erste Mal geschah? Acht? Sie weiß es nicht mehr genau. Nur, dass die Mutter weggeschaut hat. Sie ist einkaufen gegangen, obwohl sie genau gewusst haben musste, was jetzt passiert. Immer samstags, wenn er Zeit hatte. Bittere Jahre lang. Bis der Bruder ihr empfahl, den Kinderschutzbund anzurufen. Er hatte das im Fernsehen gesehen. Dass so etwas nicht normal ist, dass es eine schwere Straftat ist. Und dass es Hilfe gibt. Sie konnte fliehen. Fremder Name, fremde Stadt. Jugendwohngruppe. Was für eine Befreiung!

Vier weitere Jahre dauerte der Prozess. Und er war quälend. Nun sitzt der Vergewaltiger im Knast.

Und ihre Aufgabe ist groß: eine neue Normalität finden. Dem Leben trauen.

Mach mich stark am inwendigen Menschen, betet sie, dass ich nicht hart werden muss. Sondern dass ich wachse – unerschütterlich und tapfer. Und dass ich feste Wurzeln bekomme.

Ulrike Greim, Weimar


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