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20.02.2022
wenn ein Denkmal fällt

Ich erinnere mich noch mit einem tiefen Erschrecken an dieses unheimliche Geräusch: der Sturm, ein Rauschen, Knacken, Surren, kurze Pause, dann ein riesen Rumms, als wenn eine Bombe explodiert ist. Wir sind an das eine Fenster – haben nichts gesehen, an das andere: nichts. Da kommt ein Ruf vom Nachbarn: der Baum! Wir sind raus, und da haben wir sie liegen sehen: unsere gute alte, große Tanne. Der Stamm dicker, als dass ich ihn mit den Armen hätte umfassen können. Sie gehörte zu unserem Haus dazu, zu unserem Leben. Nicht, dass wir sie groß beachtet hätten – leider, sage ich heute! Aber sie war eine Institution. Ein Denkmal. Ganz vorsichtig sind wir zu ihr, wie zu einem sterbenden Riesen, der noch schwach atmet. Da sind uns die Tränen gekullert.

Ich weiß noch, wie es mich geschmerzt hat, als tags drauf die Männer mit der Kettensäge kamen. Ich hätte mich am liebsten davorgeworfen und laut Nein! geschrien. Irgendwann lagen die Holzscheite im Garten.

Daran musste ich denken, als ich vorgestern die mächtige Ulme vor der Grundschule meiner Tochter gesehen habe, wie sie da lag. Ebenfalls ein Denkmal.

Der Sturm hat so viele Bäume gefällt. Sie sind ganz nah bei uns, gehören zum Leben, sie reinigen unsere Luft, sie duften im Frühling, kühlen unseren Sommer, sie färben unseren Herbst und geben im Winter mit ihrer Silhouette unserem Zuhause den Charakter. Ganz häufig, ohne dass wir sie eines Blickes würdigen.

Heute danke ich Gott für die Bäume.

Für die Kirsche im Garten, die demnächst zauberhaft blühen wird, für die Esche nebenan, die leidet und den Ahorn, der an unser Fenster klopft.

Ulrike Greim, Weimar, Evangelische Kirche.


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