20.09.2005
Die Konsistorialpräsidenten der Kirchenprovinz Sachsen

Mit der Entstehung der Preußischen Provinz Sachsen und Bildung der Kirchenprovinz Sachsen nach dem Wiener Kongress im Jahr 1815 wurde für die kirchliche Verwaltung in Magdeburg ein Konsistorium eingerichtet. Leiter des Konsistoriums war der Konsistorialpräsident.

Im Zuge der Bildung der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland (EKM) sind das Konsistorium der Kirchenprovinz Sachsen und das Landeskirchenamt der Thüringer Landeskirche zum Kirchenamt der EKM im Jahr 2004 zusammengefasst worden.

 

Karl Friedrich Göschel (1845-1848) - Konsistorialpräsident in der Revolutionszeit 1848

1845 wurde der hochqualifizierte, vielseitig gebildete und bewährte Jurist -  im Alter von 61 Jahren - als Konsistorialpräsident eingesetzt, um lange schwelenden Streit in Magdeburg und der Provinz Sachsen zu überwinden. 1848 wurde er gezwungen, sein Amt aufzugeben. Er war zwischen die Parteien geraten. Magdeburger Bürger betrachteten ihn als Exponenten der Reaktion. Als Göschel gegen gewaltbereite Demonstranten verteidigt wurde, gab es Todesopfer. Die preußische Regierung ließ ihn fallen, obwohl sie selbst ihn erst kurz zuvor berufen hatte.

1784 in Langensalza geboren hatte Göschel nach dem Abschluss des Studiums dort seinen Dienst begonnen. 1819 hatte man ihn als Oberlandesgerichtsrat nach Naumburg an das oberste Gericht der neuen preußischen Provinz Sachsen berufen. Durch engen freundschaftlichen Kontakt mit Ludwig von Gerlach, dem Kollegen am Oberlandesgericht und mit Professor August Tholuck in Halle, dem führenden Kopf der Erweckungstheologie, schloss sich Göschel dem Kreis der konservativen Reformer in der preußischen Kirche an. Für die Belange der strengen Lutheraner (die sich mit der vom König 1817 durchgesetzten kirchlichen Union zwischen Reformierten und Lutheranern nicht abfinden wollten) hat er sich durch Jahrzehnte wirksam eingesetzt. Als Oberjustizrat wurde er 1834 in das Preußische Justizministerium nach Berlin berufen. Mit seiner weitreichenden, literarischen und philosophischen Tätigkeit machte er sich einen Namen weit über die Kreise der Justizverwaltung hinaus.

König Friedrich Wilhelm IV. sah in ihm den geeigneten Mann, um Pläne zu einer Reform und einer gewissen Verselbständigung der Kirche voranzubringen: 1845 wurde Göschel als Konsistorialpräsident in Magdeburg eingesetzt und mit dem Rang eines Oberpräsidenten ausgestattet. Freilich ergab sich daraus eine Rivalität zum amtierenden Oberpräsidenten der Provinz Sachsen in Magdeburg.

In Magdeburg selbst, aber auch in Halle und anderen Orten der Provinz, gab es einen großen kirchlichen Konflikt, der zunehmend politisch relevant wurde: die Bewegung der Lichtfreunde sammelte sich zu Vereinen mit einem ganz liberalen (dem Rationalismus verbundenen) Profil. Pfarrer Leberecht Uhlich (1799-1872) weigerte sich, das apostolische Glaubensbekenntnis zu beten. Die Auferstehung Jesu erklärte er der Gemeinde als einen Scheintod. Dabei berief sich Uhlich auf seine theologischen Lehrer in Halle. Sollte er nicht predigen dürfen, was Theologie-Professoren in Preußen gelehrt hatten? Ein solches Eindringen rationalistischen Geistes in die Kirche aber wollte und konnte das Konsistorium nicht zulassen.

Dieser Konflikt ließ sich nicht mehr juristisch oder gar im Einvernehmen lösen. Uhlich hatte eine große Anhängerschaft, die unter dem Postulat der Gewissensfreiheit um die staatliche Anerkennung kämpfte. Regierung und Konsistorium planten die Abberufung Uhlichs. Göschel hatte mehrfach einfühlsame Versuche gemacht, eine Übereinkunft mit den Lichtfreunden zu finden. Vergeblich. Er und der Polizeipräsident von Kamptz galten als Exponenten der verhassten Regierung.

Der Streit eskalierte im Zeichen der Pariser Februar-Revolution 1848. Am 15. März 1848 zogen in Magdeburg Demonstranten vor Göschels Wohnung. Der Einsatz von Soldaten verhinderte den Sturm auf das Haus. Nachts kam es zu Gewalt. Mehrere Demonstranten wurden getötet. Daraufhin musste Göschel aus Magdeburg fliehen. Er fand Zuflucht in der Brüdergemeinde in Gnadau. Da die Regierung Preußens selbst von der Märzrevolution angegriffen war, konnte sie Göschel nicht in seinem Amt halten. Sein Rücktrittsgesuch wurde angenommen. Freilich hatte auch Pfarrer Uhlich – nach der Niederschlagung der Revolution –mit seiner Gemeinde der Lichtfreunde keinen Erfolg mehr.
Karl Friedrich Göschel lebte anschließend in einem tätigen Ruhestand in Berlin – im Einsatz für das Luthertum in Preußen, sowie mit literarischen Arbeiten beschäftigt. In Naumburg ist er 1861 gestorben.

Professor Dr. Harald Schultze (Magdeburg), ehemaliger Beauftragter der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung Sachsen-Anhalt
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Lothar Kreyssig (1946-1947) - Dr. iur., Konsistorialpräsident und Präses der Synode der Kirchenprovinz

 

Lothar KreyssigGeb. 30.10.1898 in Flöha/Sachsen; gest. 5.7.1986 in Bergisch-Gladbach.
Lothar Kreyssig hat Umgestaltung und Neuaufbau der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen nach 1945 in entscheidender Weise mitgeprägt. Er war ein Charismatiker. Selbst in einer tiefen Frömmigkeit verankert, hat er bei politischen wie organisatorischen Entscheidungen zur Sprache gebracht, wie solches Handeln (oder Unterlassen) geistlich verantwortet werden müsse. Mit seinem Spürsinn für nötige Innovationen hat er wesentliche Aktivitäten sowohl in unserer Kirchenprovinz wie in der Gesamtkirche in Gang gesetzt und in eine lebensfähige Organisation gebracht
Im Ersten Weltkrieg hatte er sich freiwillig zum Soldatendienst gemeldet. Nach der juristischen Ausbildung war er Richter geworden, zunächst in Chemnitz, später in Brandenburg. Seit 1934 war er aktives Mitglied der Bekennenden Kirche und übernahm verantwortliche Funktionen in den Leitungsgremien – als Präses der Sächsischen Bekenntnissynode, dann im Provinzialbruderrat von Brandenburg und im Bruderrat der preußischen Landeskirche (später: Evangelische Kirche der Union). Wegen seiner kritischen Haltung zum Nationalsozialismus hatte man ihn nur in nachrangigen richterlichen Funktionen belassen.

Als Vormundschaftsrichter hat er mit wachem Geist im Sommer 1940 erkannt, dass Schwerstbehinderte und psychisch Kranke aus den Anstalten verlegt wurden an anderen Ort – und dort ermordet wurden. Serienweise trafen die Meldungen mit gefälschter Angabe über die Todesursache ein. Obwohl die Aktion streng geheim ablief, durchschaute Kreyssig das System der Euthanasie des Naziregimes und erstattete gegen Reichsleiter Philipp Bouhler am 8. August 1940 Anzeige wegen Mordes. Dieser mutige, für ihn selbst risikoreiche Protest eines amtierenden Richters gegen die Tötungsaktion war einzigartig in Deutschland. Kreyssig wurde daraufhin im Dezember 1940 beurlaubt,1942 in den Ruhestand versetzt. Da er sich in Hohenferchesar bei Brandenburg ein Bauerngut gekauft hatte, konnte er mit seiner großen Familie dort den Krieg überstehen.

Als 1945 das Naziregime zusammengebrochen war, mussten belastete Persönlichkeiten  in der Kirche ihren Platz räumen. Otto Dibelius konnte Lothar Kreyssig dazu gewinnen, ab Januar 1946 das Amt des Konsistorialpräsidenten in Magdeburg zu übernehmen. Der Neuaufbau der Provinzialkirche brauchte einen erfahrenen Juristen. Gemeinsam mit dem damaligen Präses, dem späteren Bischof Ludolf Müller stellte er die Weichen für die Einrichtung des Propstamtes und die Neuorganisation der Verwaltung. Als die Synode im Juni 1947 Ludolf Müller zum Bischof berufen hatte, wählte sie Lothar Kreyssig zum (hauptamtlichen) Präses (1947-1964). In dieser Funktion hat er den Laienbesuchsdienst ins Leben gerufen. Die Evangelische Akademie hat er mitgegründet und wurde zunächst ihr Leiter. Für psychisch Kranke richtete er den „Hilfsring“ ein. Über die Grenzen der eigenen Landeskirche hinaus hat er als Vizepräsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages die großen gesamtdeutschen Kirchentage in Berlin (1951) und Leipzig (1954) mitgestaltet. Nachdem er bereits als Gast der Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) beigewohnt hatte, fuhr er als Delegierter zur Vollversammlung des ÖRK 1954 nach Evanston. Er leitete auch als Präses die Synode der Evangelischen Kirche der Union und war 1949-1961 Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Sich in der Nachfolge Christi den Hungernden, den Notleidenden zuzuwenden, war sein Anliegen: so verfasste er 1957 den Aufruf zur Gründung einer „Aktionsgemeinschaft für die Hungernden“ – das war ein entscheidender Impuls für die Entstehung der Aktion Brot für die Welt.

Die größte Ausstrahlung hatte sein Gedanke, die Aktion Sühnezeichen ins Leben zu rufen. Das geschah 1958. Junge Menschen in beiden Teilen Deutschlands wurden aufgerufen, in Ländern, die Deutschland mit Krieg überzogen hatte, durch eigener Hände Arbeit ein Sühnezeichen aufzurichten: "Es geschieht" – so sagte Kreyssig – „zu wenig Versöhnung“. Darum heißt es in seinem  Aufruf vom 30.4.1958:
 „Des zum Zeichen bitten wir die Völker, die Gewalt von uns erlitten haben, dass sie uns erlauben, mit unseren Händen und mit unseren Mitteln in ihrem Lande etwas Gutes zu tun; ein Dorf, eine Siedlung, eine Kirche, ein Krankenhaus oder was sie sonst Gemeinnütziges wollen, als Sühnezeichen zu errichten.“

In Coventry, in den Niederlanden, in Auschwitz, Israel und anderswo sind solche Sühnezeichen entstanden – in international, ökumenisch zusammengesetzten Camps von Jugendlichen. Die „Aktionsgemeinschaft Sühnezeichen Friedensdienste e.V:“ ist noch heute tätig.

Kreyssig ging 1964 in den Ruhestand, lebte zunächst auf seinem Gut in Hohenferchesar, dann in Berlin-West und später in Westdeutschland, bis er – 88jährig – 1986 in Bergisch-Gladbach starb.
Der Kirchenkreis Magdeburg hat 1998 eine Stiftung ins Leben gerufen, die inzwischen drei mal den Lothar-Kreyssig-Friedenspreis verliehen hat.

Professor Dr. Harald Schultze (Magdeburg), ehemaliger Beauftragter der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung Sachsen-Anhalt

Literatur
Susanne Willems: Lothar Kreyssig. Vom eigenen verantwortlichen Handeln. 1995.
Konrad Weiß: Lothar Kreyssig. Prophet der Versöhnung. Gerlingen 1998

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Martin Kramer (1980-1990) - Pfarrer, Präsident und Publizist

 

Martin KramerMartin Kramer wurde am 16. Februar 1933 in Berlin-Mahlsdorf geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Berlin und in Wernigerode im Harz. Nach einer Kaufmannslehre studierte er von 1952 bis 1957 evangelische Theologie in Halle. Das Vikariat absolvierte Martin Kramer in der Hallenser Laurentius-Gemeinde. Dann begann seine Pfarrerszeit in Magdeburg in den verschiedenen Gemeinden in den Jahren von 1961 bis 1995.

Seine wirkungsvollste Zeit hatte er von 1980-1990, als er das Amt des Konsistorialpräsidenten innehatte. Dieses Amt ist ungewöhnlich für einen Theologen. Denn die Grundordnung dieser Kirche sieht vor, dass das Amt des Konsistorialpräsidenten mit einem Juristen zu besetzen ist. Doch auch ohne ein Studium der Juristerei hat Martin Kramer die kirchliche Verwaltung zehn Jahre lang erfolgreich geleitet. Zugute gekommen sind ihm dabei seine Begabungen, Konflikte sachlich und nicht emotional zu lösen sowie sein Organisationstalent und sein juristisches Geschick.

Darüberhinaus engagierte er sich als persönlicher Referent des Bischofs (1962-1963), als Studentenpfarrer (1962-1970) und als Parlamentarier der Kirchenprovoinz-Synode (1964-1990). Seit 1995 ist Martin Kramer im Ruhestand, aber nicht ruhig. Weiterhin ist er aktiv in zahlreichen kirchlichen und gesellschaftlichen Gremien und Gruppen. Unter anderem engagiert er sich im Magdeburger Geschichtsverein, im Förderverein des Magdeburger Doms und im Rotary Club. Von 1995 bis 2004 war er Vorstandsvorsitzender des Evangelischen Medienverbandes in der Kirchenprovinz Sachsen und in der Landeskirche Anhalts e.V.

Silke Nenzel, April 2005
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Detlev Hammer ( 1990-1991) - Dr. jur. Oberkonsistorialrat und Konsistorialpräsident – ein Spionagefall

 

Dr. Detlef Hammer wurde 1950 als Sohn eines Betriebsleiters in Gersdorf/ Erzgebirge geboren und wuchs ohne christliche Erziehung auf. 1968 begann er an der Martin-Luther Universität das Jurastudium. Noch während des Studiums heiratete D. Hammer und bekam mit seiner Ehefrau zwei Kinder. Nach Beendigung seines Studiums nahm Detlef Hammer 1974 seinen Dienst im Evangelischen Konsistorium der Kirchenprovinz Sachsen auf. Zunächst war er als juristischer Konsistorialrat, später Oberkonsistorialrat in den Dezernaten für die Pfarrerausbildung, für Diakonie und Ökumene tätig.

Was keiner ahnen konnte, bereits zu diesem Zeitpunkt war D. Hammer zugleich als Inoffizieller  Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR tätig, später auch als Offizier des MfS im besonderen Einsatz (OibE).
Bereits während seines Studiums in Halle hat D. Hammer sich als Inoffizieller Mitarbeiter verpflichtet und wurde zum Informanten für den Bereich der Evangelischen Studentengemeinde. Offenbar gewann er selbst Interesse an den zensurfreien Diskussionen der ESG. Er ließ sich konfirmieren, gehörte zum engsten Mitarbeiterkreis und wurde in die Synode der Kirchenprovinz delegiert.

Dort fiel er auf und bekam vom damaligen Konsistorialpräsidenten das Angebot zum Eintritt in den kirchlichen Dienst. Auch nach Zureden des MfS ging D. Hammer auf das Angebot ein. Weil er damit auf eine Karriere im staatlichen Dienst der DDR verzichtete, bekam er vom MfS – bis zur Wende 1989 -einen monatlichen Gehaltszuschuss. Während seiner kirchlichen Tätigkeit erwarb sich Dr. Hammer durch Liebenswürdigkeit und Fachkompetenz das Vertrauen in allen Bereichen seiner kirchlichen Tätigkeit. In der Beratung der diakonischen Einrichtungen, der Organisation von Partnerbeziehungen zu den westdeutschen Landeskirchen und Gemeinden und für das breite Spektrum ökumenischer Kontakte hat er im Interesse der Kirchenprovinz erfolgreich gearbeitet. Daneben jedoch hat er dem MfS verlässlich aus internen kirchlichen Beratungen berichtet. So hat er z. B. bei dem Vorgang der Isolierung und Verhaftung des Jugenddiakons Lothar Rochau (Halle - Neustadt) im Sinne des MfS folgenreich Einfluss genommen. Darüber hinaus hat D. Hammer seine Kontakte zum MfS jedoch auch genutzt, um Menschen, welche wegen kritischer Äußerungen oder geplanter Republikflucht im Gefängnis saßen, freizubekommen. Darüber hinaus hat er mehreren ausreisewilligen Familien bei der Ausreise aus der DDR geholfen. Zum 01.05.1990 berief die Kirchenleitung Dr. jur. Detlef Hammer zum Konsistorialpräsidenten, ohne von seiner Tätigkeit für das MfS zu wissen.

Am 03.04.1991 verstarb Dr. Hammer. Die Umstände seines Todes und die genaue Todesursache blieben ungeklärt. Bereits im Februar 1991 hatte er in einem Brief an Bischof Dr. Demke um seine Entlassung aus dem kirchlichen Dienst gebeten. Dieser Bitte wurde jedoch bis zu seinem Tode nicht entsprochen. Erst im August 1991 wurde die Tätigkeit Dr. Hammers für das MfS durch eine Presseveröffentlichung bekannt. Mehrere Ordner Aktenmaterial wurden in einem Forschungsprojekt gesichtet und ausgewertet. Freilich fehlen Akten über seine Mitarbeit im MfS für die Zeit von 1978-1989 (vermutlich 1990 vernichtet).

Als Konsequenz dieser Spionagetätigkeit wurde die Berufung von Dr. Hammer zum Kirchenbeamten post mortem widerrufen.

Professor Dr. Harald Schultze (Magdeburg), ehemaliger Beauftragter der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung Sachsen-Anhalt
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Hans-Joachim Kiderlen (1994-2000) - Kiderlen vollzog erste Schritte zur Kooperation mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen

 

Hans-Joachim KiderlenHans- Joachim Kiderlen war es wichtig, Brücken zu bauen von der Kirche in die Gesellschaft und den öffentlichen Raum. In einer Zeit großer Veränderungen von 1994 – 2000 bekleidete der gebürtige Hamburger das Amt des Konsistorial-präsidenten. Zum Lernen sei er in den Osten gekommmen, nicht zum Lehren, erklärte Kiderlen.

Seine Kernaufgabe bestand darin, die Kirchenverwaltung zu führen. Auch zu seiner Zeit ließ ein Sparkurs schon die Mitarbeiterzahl von 130 auf 100 schrumpfen. Kiderlen kümmerte sich um die Re-Etablierung der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt in Wittenberg, arbeitete für die Errichtung einer Jugendbildungsstätte in Lostau und trieb die nun geglückte Kooperation mit der Evangelischen Kirche Thüringens voran.

Zu beklagen hatte Kiderlen den Umstand, das zu seiner Amtszeit nur 4,5 Prozent aller Schüler in Sachsen-Anhalt Religionsunterricht erhielten. Damit hatte das Bundesland die rote Laterne in der Hand. An Berufsschulen waren es null Prozent. In den Augen des Konsistorialpräsidenten war dies ein Skandal.

Kiderlen mischte sich in das öffentliche Leben ein. Er war gegen die Errichtung des Hundertwasserhauses in Domnähe, weil dies ein historischer Ort sei. 2000 Unterschriften sammelte der Kämpfer dagegen. Er wehrte sich gegen die Videoüberwachung auf Straßen und Plätzen. Auch gegen den Beginn des Magdeburger Weihnachtsmarktes vor Totensonntag setzte sich der Konsistorialpräsident ein. Es sei wichtig, den normalen Jahresrhythmus zu erhalten, betonte er.

Kiderlen wurde am 6.12.1943 geboren. Nach dem Abitur studierte der gebürtige Hamburger Jura und Geschichte in Freiburg, Kiel und Berlin. Sein Referendariat absolvierte er in Hamburg. 1972 trat er in den Dienst des Auswärtigen Amtes ein. Es folgten Berufsjahre in der EG-Vertretung in Brüssel, in den Botschaften in Moskau und Lomé/ Togo, in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes in Bonn, im Generalkonsulat in San Francisco und als Stellvertretender Referatsleiter im Auswärtigen Amt in Bonn.

Daneben studierte er von 1985 bis 1990 aus persönlichem Interesse in Bonn und in Berkley/ Kalifornien Theologie und schloss es vor der Evangelischen Kirche im Rheinland mit dem Ersten Theologischen Examen ab. Im Anschluss daran war er bis 1994 Leiter des Büros der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel.

Silke Nenzel, April 2005
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