10.11.2020
Erinnerung an die "Schande des 9. November 1938" | EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm: Antisemitismus ist Sünde

Berlin (epd). Am 82. Jahrestag der Novemberpogrome vom 9. November 1938 haben Politiker zum Einsatz für eine demokratische Gesellschaft aufgerufen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von der "Schande des 9. November 1938" und erinnerte an die Pogrome gegen jüdische Mitbürger, "an die Menschen, die in den Tod getrieben wurden, die brennenden Synagogen, die zerstörten Geschäfte". "Wir gedenken der Opfer des von Deutschland begangenen Menschheitsverbrechen, der Schoah, in Scham", sagte Merkel am Montag in Berlin. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, betonte im RBB-Inforadio, aus dem damaligen Versagen, der allgemeinen Gleichgültigkeit und der Unterwürfigkeit gegen Diskriminierung müssten heute die richtigen Schlüsse gezogen werden.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte auf Facebook: "Es muss deutlich werden, dass Antisemitismus Sünde ist und allem widerspricht, wofür das Christentum steht." Es sei wichtig, Zeichen gegen einen neu aufschwellenden Antisemitismus zu setzen. Dazu solle im kommenden Jahr eine ökumenische Plakat-Kampagne der Kirchen beitragen. Die Kampagne wende sich insbesondere an die Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen. Kernanliegen der Kampagne sei es, die Gemeinsamkeiten zwischen Juden und Christen in den Festen und im religiösen Leben aufzuzeigen.

Das Internationale Auschwitz Komitee erklärte, bis heute sei für jüdische Überlebende dieser Schreckensnacht die Erinnerung an die Gleichgültigkeit der allermeisten ihrer Nachbarn das Entsetzlichste, womit sie nicht fertig geworden sind. Gerade deshalb würden sie sich gegen aufflammenden antisemitischen Hass und mörderische Gewalt engagieren, erklärte der Vizepräsident des Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, in Berlin. Wegen der Corona-Pandemie fanden am Montag in vielen Orten keine öffentlichen Gedenkveranstaltungen zur Reichspogromnacht vor 82 Jahren statt.

Klein betonte, wie wichtig die Erinnerung an die Pogromnacht vor 82 Jahren sei. Das Datum veranschauliche, wie das Land damals moralisch versagt habe. Es sei wichtig, heute anders mit Diskriminierung und Ausgrenzung umzugehen. Er ermunterte Betroffene und Zeugen, antisemitische Vorfälle zu melden: "Denn nur so kann sich etwas ändern."

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nannte den Umgang mit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland einen Gradmesser für den Zustand des demokratischen Gemeinwesens. Mit der Verantwortung gegenüber der jüdischen Gemeinschaft gehe die Verantwortung "für unser demokratisches Gemeinwesen, für den Rechtsstaat und für unser aller Freiheit" einher. Antisemitismus und neonazistischer Terror hätten in Berlin und in ganz Deutschland keinen Platz. Dies sei die Botschaft des 9. November 1938.

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brannten Synagogen in ganz Deutschland. Die Nationalsozialisten gingen zur offenen Gewalt gegen Jüdinnen und Juden über, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden zerstört, jüdische Bürger misshandelt. Es wird davon ausgegangen, dass in dieser Nacht mehr als 1.300 Menschen getötet und mindestens 1.400 Synagogen in Deutschland und Österreich stark beschädigt oder zerstört wurden.

Gedenken an Pogrom-Opfer in Buchenwald

Weimar (epd). In der Gedenkstätte Buchenwald ist am Montag der Opfer der nationalsozialistischen Pogromnacht vom 9. November 1938 gedacht worden. Wegen der Corona-Einschränkungen konnten nur wenige Menschen zusammenkommen, das Gedenken konnte aber live im Internet verfolgt werden. Bei einer kleinen Zeremonie auf dem ehemaligen Appellplatz Buchenwalds erinnerte der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, an die 26.000 jüdischen Männer aus ganz Deutschland, die nach der Reichspogromnacht in die Konzentrationslager Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald verschleppt wurden.

Freiwillige aus der Ukraine, Spanien und Deutschland lasen aus den Erinnerungen von früheren Insassen eines Sonderlagers auf dem Buchenwald-Areal vor, im dem die Nationalsozialisten 9.845 Verhaftete eingesperrt hatten. In den hundert Tagen seiner Existenz kamen nach Angaben des Stiftungsdirektors darin 250 Menschen ums Leben.

Auch an anderen Thüringer Orten wurde mit Kranzniederlegungen und Gottesdiensten der Opfer der Nazi-Pogrome gedacht. Bereits am Vormittag waren Vertreter der jüdischen Landesgemeinde, von Landtag und Landesregierung zu einer Gedenkstunde auf dem jüdischen Friedhof im Süden Erfurts zusammengekommen. Wie in Buchenwald sprach dabei Landesrabbiner Alexander Nachama das traditionelle Kaddisch.

Am Abend des 9. November hatten Nazis in ganz Deutschland Synagogen in Brand gesteckt. Die Wohnungen und Geschäfte jüdischer Bürger wurden zerstört und geplündert, ihre Inhaber und Bewohner geschlagen, in Konzentrationslager verschleppt und auch ermordet.

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