19.11.2020
Halle-Prozess: Bundesanwaltschaft fordert lebenslange Freiheitsstrafe

Magdeburg (epd). Die Bundesanwaltschaft hat im Prozess gegen den Synagogen-Attentäter von Halle am Mittwoch in ihrem Plädoyer eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung für Stephan B. gefordert.

B. sei vollumfänglich schuldfähig, sagte Bundesanwalt Kai Lohse vor dem Oberlandesgericht Naumburg und plädierte für eine Verurteilung wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiterer Straftaten wie Volksverhetzung und Körperverletzung. Zudem sei nach der Haft eine Sicherungsverwahrung anzuordnen, weil B. für die Allgemeinheit gefährlich sei. Aus Sicherheitsgründen findet der Prozess in Magdeburg statt.

Lohse sagte, der Angeklagte sei zwar geständig, habe aber weder Einsicht noch Reue gezeigt, sondern seine Taten gerechtfertigt. In gut einer Stunde habe Stephan B. eine Vielzahl schwerster Delikte begangen. Die Motive seien zutiefst menschenverachtend. Der Bundesanwalt sprach von einem der "widerwärtigsten antisemitischen Akte seit dem Zweiten Weltkrieg". Dieser Terroranschlag stelle einen Einschnitt für alle in Deutschland lebende Menschen dar: "Der von unbändigem Hass und Vernichtungswillen angetriebene Attentäter wollte in der Synagoge ein Blutbad anrichten." B. scheiterte an der Tür, aber habe am Ende zwei Menschen ermordet, zahlreiche weitere verletzt und traumatisiert.

"B. zielte auf jüdisches Leben und damit auf uns alle", sagte der Bundesanwalt: "Jüdisches Leben ist und bleibt ein unverzichtbarer Teil Deutschlands." Die in der Anklageschrift benannte rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Motivation habe sich in der Hauptverhandlung in vollem Umfang bestätigt. Im juristischen Sinn sei B. ein Einzeltäter, doch er habe sich auf den Nationalsozialismus bezogen und sich "bewusst in eine Reihe der Täter an der Rampe von Auschwitz gestellt".

Anfang Dezember folgen die Plädoyers der Anwälte der Nebenklage und der Verteidigung. Es gibt 45 Nebenkläger, die von 21 Anwälten vertreten werden. Mit einem Urteil wird noch in diesem Jahr gerechnet.

Am Mittwoch hat auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, den Prozess verfolgt. Klein sagte am Rande des Prozesses, es sei deutlich geworden, wie gefährlich die Radikalisierung im Internet sei. Dies müsse stärker beobachtet und bekämpft werden. Auch im Alltag dürfe man nicht aus falsch verstandener Toleranz antisemitische Narrative einfach so stehen lassen.

Auch der Antisemitismusbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Staffa, war als Prozessbeobachter im Gerichtssaal. Antisemitische, rassistische und frauenfeindliche Einstellungen, wie sie sich bei dem Anschlag in Halle gezeigt haben, seien weit verbreitet und müssten in allen Zusammenhängen aufgedeckt werden, sagte Staffa. Das gelte auch für den Bereich der Kirchen.

B. hatte am 9. Oktober 2019 einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt. Zum Zeitpunkt des Attentats hielten sich in der Synagoge zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur mehr als 50 Gläubige auf. Weil es ihm nicht gelang, mit Sprengsätzen und Schusswaffen in die Synagoge einzudringen, erschoss B. eine 40 Jahre alte Passantin und anschließend in einem Döner-Imbiss einen 20-jährigen Mann.

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