13.07.2015
Stellungnahme zum Entwurf einer Neufassung der Verordnung über Schulen in freier Trägerschaft
des Landes Sachsen-Anhalt vom Beauftragten der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung in Sachsen-Anhalt, Oberkirchenrat Albrecht Steinhäuser
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Schreiben vom 17.06. haben Sie uns den Entwurf einer Neufassung der Verordnung über Schulen in freier Trägerschaft zur Stellungnahme übersandt.
Aus Sicht der evangelischen Kirchen hat der vorgelegte Entwurf eine Reihe von erheblichen formalen und inhaltlichen Mängeln.
Die dem VO-Entwurf beigefügte Synopse ist mangels durchgehender Hervorhebung der geänderten Textstellen keine wirkliche Arbeitshilfe. Der geltende Rechtstext muss leider größtenteils Wort für Wort mit dem Entwurfstext abgeglichen werden.
Besonders ärgerlich ist, dass die im VO-Entwurf vorgesehenen Stundenpauschalen für die im Rahmen der Ermittlung der staatlichen Finanzhilfesätze (Schülerkostensätze) notwendige Berechnung des Wochenstundenbedarfs je Klasse bisher nur einem Runderlass des MK - Anlage 2 zu entnehmen sind und weder die Synopse noch das Anhörungsschreiben, noch die nicht vorhandenen Begründung zum VO-Entwurf auf diesen Umstand hinweisen. Die bisherige Festlegung der Stundenpauschalen für die verschiedenen Schulformen in einem ministeriellen Erlass stellt einen klaren Verstoß gegen das verfassungsmäßige Wesentlichkeitsgebot dar. Von daher mag die avisierte Festlegung der Stundenpauschalen ab dem Schuljahr 2014/2015 in einer Verordnung einen höheren Grad an Rechtssicherheit bieten. Leider weist das Kultusministerium im Anhörungsverfahren jedoch nicht transparent darauf hin, dass beispielsweise die Stundenpauschale für Sekundarschulen von bisher 4,07 (Schuljahr 2013/2014) auf 3,64 (Schuljahr 2014/2015) abgesenkt werden soll.
Konkrete Anmerkungen zum VO-Entwurf:
Zu § 2 Absatz 1 bis 3 – Genehmigungsverfahren
Die Vorverlegung der Antragsfristen für die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Ersatzschule um bis zu zwei Monate bedeutet, dass der künftige Schulträger schon im Vorjahr der Aufnahme des Schulbetriebs beispielsweise Gebäude- und Personalfragen nahezu vollständig geklärt haben muss, soll sein Antrag überhaupt Aussicht auf Erfolg haben. Dies ist für zukünftige Schulträger - je nach Schulform - bereits acht bis neun Monate vor Aufnahme des Schulbetriebs nicht leistbar. Nach § 2 Absatz 3 sollen unvollständige Anträge innerhalb von drei Wochen nach Posteingang mit einem Hinweis auf die Unvollständigkeit dem Antragsteller zurückgesandt werden. Das Antragsverfahren wäre dann - ohne Heilungsmöglichkeiten - beendet, die Schuleröffnung auf das übernächste Schuljahr verschoben.
Die Exekutive ist aufgrund des geltenden Verfassungsrechts gehalten, stets das mildeste Mittel zu wählen, d. h. zunächst auf eine Vervollständigung der Antragsunterlagen hinzuwirken.
zu § 2 Absatz 3 Satz 2 und 3, Absatz 4 Satz 2 bis 4
Der Unterschied zwischen unvollständigen Antragsunterlagen, die nach Absatz 3 zu einer Beendigung des Antragsverfahrens führen, und solchen, die nach Absatz 4 Satz 2 bis 4 durch entsprechende Beibringung heilbar sind, erschließt sich auch dem juristisch vorgebildeten Leser nicht.
§ 2 Absatz 3 und 4 verwirrt vollends: "Der Antragsteller hat die Antragsunterlagen innerhalb von sechs Wochen zu vervollständigen. In begründeten Ausnahmefällen ist eine Verlängerung der Frist möglich."
Zu § 3 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 2 Satz 4
Auch im Verfahren zur Genehmigung des Lehrkräfteeinsatzes an genehmigten Ersatzschulen soll zukünftig rigoros gelten: "Unvollständige Anträge werden mit dem Hinweis auf die Unvollständigkeit an den Antragsteller zurückgesandt."
Auch hier gilt: Die Exekutive ist aufgrund des geltenden Verfassungsrechts gehalten, stets das mildeste Mittel zu wählen, d. h. zunächst auf eine Vervollständigung der Unterlagen hinzuwirken.
De facto wird durch die vorgeschlagenen Regelungen die Gründung freier Schulen in eklatanter Weise erschwert.
Zu § 18 a SchulG LSA i. V. m. § 9 VO-Entwurf – Ausgestaltung der Finanzhilfe
Bei der Berechnung der Schülerkostensätze für die verschiedenen Schulformen sind die jeweiligen Klassenfrequenzen (Schüler je Klasse) aus der Schulstatistik des jeweils vorangegangenen Schuljahres für die entsprechenden öffentlichen Schulen unmittelbar relevant. Das Land Sachsen-Anhalt hat für öffentliche allgemein bildende Schulen in Grund-, Mittel- und Oberzentren
- durch Verordnung zur Schulentwicklungsplanung 2014 vom 15. Mai 2013 Richtwerte für die Klassenbildung und die Zügigkeit sowie
- durch Verordnung zur Bildung von Anfangsklassen und zur Aufnahme an allgemeinbildenden Schulen vom 19. März 2014
Richtwerte für die Bildung von Anfangsklassen festgelegt.
Schulen in freier Trägerschaft werden die nächsten Jahre voraussichtlich die für staatliche Schulen geltenden erhöhten Richtwerte nicht erreichen und bei - gemessen an den Klassenfrequenzen staatlicher Schulen - geringeren Schülerzahlen mit abschmelzenden Schülerkostensätzen zu kämpfen haben. Diese Entwicklung gefährdet auch bestehende freie Schulen in ihrer Existenz.
Die Erhöhung der Klassenfrequenzen an staatlichen Schulen wirkt sich zudem mittelbar auf die Festsetzung der Stundenpauschalen nach § 9 Absatz 3 Nummer 6 VO-Entwurf aus. Wir bitten deswegen dringend darum, die Unwägbarkeiten der Ermittlung der Schülerkostensätze für freie Schulträger miteinander zu erörtern.
Auch wenn in § 16 nicht expressis verbis erwähnt, soll nach dem mutmaßlichen Willen des Kultusministeriums die Verordnung bereits zu Beginn des Schuljahres 2015/2016, d. h. am 1. August 2015 in Kraft treten. Eine Entschleunigung dieses Vorhabens scheint uns dringend geboten.
Mit freundlichen Grüßen