04.05.2025
Kirchentag
Doris ist begeistert. Seit Mittwoch ist sie auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover. Zusammen mit tausenden Gästen aus ganz Deutschland und dem Ausland. Doris ist mittendrin. Sie hat so viel erlebt:
Gute Stimmung und laute Konzerte, spontane Straßenaktionen, sie hat mitdiskutiert und Gottesdienste gefeiert. In der Straßenbahn hat sie laut mit den andern gesungen.
Und sie hat Wadim kennengelernt. Die Begegnung mit ihm hat sie nachdenklich gemacht.
„mutig stark beherzt“ – steht auf ihrem roten Beutel, das ist das Kirchentags-Motto. Nachher, nach dem Abschluss-Gottesdienst – der sogar live im Fernsehen läuft – fährt Doris wieder nach Hause. Und sie wird noch lange an Wadim denken, der nicht nach Hause kann.
Wadim ist 38 Jahre alt. Er kommt aus der Ukraine. Seit Kriegsbeginn ist er hier mit seinem kleinen Sohn und seiner Frau. Wenn Wadim nicht geflüchtet wäre, dann müsste er jetzt an der Front sein, als Soldat. Vielleicht wäre er schon längst tot. Wadim ist Christ, und er nimmt es sehr ernst, wenn es heißt: „Du sollst nicht töten!“
Als Sanitäter, um Verwundeten zu helfen, würde er sofort in seine Heimat zurückkehren, sagt er. Aber das garantiert ihm niemand. Sie brauchen vor allem Soldaten. Aber Soldat sein – das will und kann Wadim nicht.
Doris kannte den Krieg in der Ukraine bisher nur aus dem Fernsehen. Mutig, stark und beherzt verteidigen die Menschen ihr Land. Aber jetzt kann sie auch Wadim verstehen. Er liebt seinen Sohn und seine Frau.
Und er kann es sich nicht vorstellen, jemanden zu töten, der vielleicht selbst Vater ist.
„Meine Familie in Odessa wird nie mehr mit mir reden.“ sagt Wadim. „Sie sagen, ich sei feige.“
Doris schenkt Wadim ihren roten „mutig-stark-beherzt“-Beutel zum Abschied. „Wadim, manchmal ist es sehr mutig, NEIN zu sagen.“
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg