06.05.2025
Gute Nachbarn
Karl steht am Zaun vor dem Haus mit einem Stück Kreide in der Hand. Er schreibt auf eine große Schiefertafel. Die hat er vor ein paar Jahren dort aufgehängt. Alle paar Tage schreibt er da was drauf. Irgendeinen Spruch. Er schreibt ordentlich, denn die Leute sollen es ja lesen können. Ute kommt dazu. Sie wohnt im selben Haus.
„Na Karl, schreibste wieder was?“
Die erste Zeile kann sie schon lesen:
„Sei schnell bereit beim Zuhören.“
„Ja.“ sagt Ute, „Das sollte sich die neue Regierung mal hinter die Ohren schreiben. Dass sie gut zuhört, was los ist. Da könnte ich mich manchmal so aufregen.“
Karl sagt nichts. Er schreibt ruhig weiter: „Sei langsam mit dem Reden.“
Ute nickt. „Ja, dann nimmt man sich auch etwas mehr Zeit zum Nachdenken.“
Karl denkt sich: <Genau Ute, das könntest DU dir mal hinter die Ohren schreiben.>
Aber Karl schweigt und schreibt weiter: „Spare deinen Zorn.“
Karl und Ute wohnen Tür an Tür. Da ist es wichtig, miteinander zu reden. Denn mal muss der Flur gemacht werden, manchmal will Ute feiern auf dem Hof, manchmal Karl oder die anderen Nachbarn. Da kann es laut werden. Darüber muss man sich verständigen. Sonst gibt es bösen Streit. Alle müssen sich an die Regeln im Haus halten. Und wenn was nicht in Ordnung ist, dann klingelt man und klärt das freundlich. Alle sollen sich wohlfühlen.
Das wünsche ich mir für uns alle: Gut zuhören und miteinander reden, ohne sich zu beleidigen. Im Bundestag genauso wie zuhause. Wir sind alle verschieden, aber wohnen im selben Haus. Niemand soll Angst haben. Und niemand darf Angst machen.
„Sei schnell bereit beim Zuhören. Sei langsam mit dem Reden. Spare deinen Zorn.“
Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer in Magdeburg